Die Entstehung seines Weihnachtsoratoriums nahm Richard Wetz zwei Jahre lang in Anspruch. Am Schluss der gedruckten Partitur findet sich der Eintrag: Komponiert vom 12. April 1927 bis 22. April 1929. Diese ziemlich lange Zeitspanne war nicht nur durch die großformatige Anlage des Werkes selbst bedingt, sondern auch durch die umfangreiche Lehrtätigkeit des Komponisten an der Weimarer Musikhochschule, die ihn immer wieder zwang, die Arbeit an seinem Projekt zu vertagen. Offenbar wollte Wetz mit dem Weihnachtsoratorium ein Gegenstück zu seinem 1925 vollendeten Requiem schaffen. Wie dieses ist auch das Weihnachtsoratorium als Konzertwerk konzipiert und nicht als Musik für den Gottesdienst. Wie bereits der Titel zeigt, stützt es sich nicht auf Bibelworte, sondern auf geistliche Gedichte der älteren deutschen Literatur, die der Komponist zu einem homogenen Ganzen zusammenfügte.
Zum Oratorium äußerte sich Wetz kurz vor Kompositionsbeginn am 6. Februar 1927 in einem Brief: »Auf diesem Gebiete habe ich nur einen zu fürchten, freilich den gewaltigen Johann Sebastian Bach. Aber ich denke gar nicht daran, ihm auch nur an die Seite und in seine Nähe zu treten, wie ich ja auch im Requiem mich ganz fern von Mozart gehalten habe. Die andern Weihnachts-Komponisten will ich schon auf mich nehmen […].«