Unter den im 19. Jahrhundert entstandenen Werken für Chor und Orchester nimmt ›Ein deutsches Requiem‹ von Johannes Brahms durch seine individuelle Gestaltung eine Sonderstellung ein. Brahms zog für den Text, den er selbst zusammenstellte, zahlreiche Bibelstellen aus dem Alten und dem Neuen Testament heran. Grenzte sich Brahms einerseits durch die Benutzung des deutschen Bibelworts von den Requien und Messvertonungen des 19. Jahrhunderts ab, so schuf er andererseits durch die Auswahl der Texte eine kontemplativ ausgerichtete Vorlage, die keine Ähnlichkeiten mit dem typischen dramatischen Handlungszug eines Oratoriums zeigt. Die Vorgehensweise, Trauermusik auf der Grundlage ausgewählter Bibelstellen zu verfassen, war in der protestantischen Kirchenmusik des Barock, wie z. B. in den Musikalischen Exequien von Heinrich Schütz (1636) und dem Actus tragicus von Johann Sebastian Bach (1708) historisch vorgezeichnet. So macht sich im Deutschen Requiem ein durch den Historismus geschichtlich geweitetes Bewusstsein bemerkbar.
Inhaltlich ließ Brahms in seiner Textwahl alle Anspielungen auf das Jüngste Gericht, die Strafe Gottes und den Erlösungstod Jesu aus, und konzentrierte sich stattdessen auf den Gedanken der irdischen Vergänglichkeit, aber auch des Trostes und der Hoffnung. An Brahms’ musikalischer Realisation des Textes wurde schon in den zeitgenössischen Besprechungen die Vielfalt der musikalischen Charaktere, die vom Melancholisch-elegischen bis zum Dramatischen reichen, bewundert.
Für die Uraufführung am 18. Februar 1869 wählte Brahms mit Leipzig einen Ort im vorwiegend protestantisch geprägten norddeutschen Raum, wo sich das Werk sofort einen festen Platz im Repertoire eroberte.