Der 1836 beim Niederrheinischen Musikfest uraufgeführte Paulus war das erste der beiden großen Oratorien Mendelssohns. Mehr noch als im zehn Jahre später entstandenen Elias spiegelt sich in ihm der Anspruch, sich in der Nachfolge der im frühen 19. Jahrhundert wiederentdeckten Werke Bachs und Händels zu beweisen. Damit bildet der Paulus den Auftakt und zugleich den ersten Höhepunkt einer großen Reihe historisierender Oratorien des 19. Jahrhunderts.
In musikalischer Hinsicht verschmilzt Mendelssohn Modelle älterer Musik mit seinem eigenen Stil. Dies zeigt sich etwa bei den Choralsätzen, die wie in den Bach’schen Passionen gewissermaßen als Kommentar der Gemeinde jeweils am Ende einer Sinneinheit stehen. Zeitgenossen wie der Komponist Louis Spohr bemerkten überdies, die großen Chöre seien dem »Händel’schen Stile« nachgebildet.
Das zweiteilige Oratorium hat eine Reihe kürzerer Episoden aus dem Leben des Paulus zum Inhalt: Der erste Teil enthält die Vorgeschichte und schildert die Verfolgung und Steinigung des Stephanus, das Wüten und die Bekehrung des Saulus. Der zweite Teil behandelt verschiedene Stationen der Missionstätigkeit des Paulus und schließt mit dem Lobpreis Gottes.