Leipzig (1989, 1994)
Es werde nie normal sein, wie die Leipziger Gemeinde mit der Bremerhavener Christuskirchengemeinde in Verbindung stehe, erklärte Pastor von Stuckrad-Barre am Sonntag, den 16. Juni 2013 in seiner Predigt in der Heilig-Kreuz-Kirche in Leipzig. Die Partnerschaft der beiden Kirchen geht bis in die 1950er Jahre zurück. 1989 und 1994 besuchte die Evangelische Stadtkantorei erstmals die Partnergemeinde in Leipzig-Neustadt. Die erste Fahrt mit 51 Sängerinnen und Sängern vom 21. bis 23. April 1989 war für viele Chormitglieder eine denkwürdige Erfahrung. Jedes Chormitglied brauchte eine persönliche Einladung, um überhaupt in die DDR einreisen zu dürfen. Marita Westphal Blome erinnert sich:
»Ein sehr intensives Erlebnis war die Leipzig-Fahrt im April 1989, die erste Reise der Kantorei in die Partnergemeinde unserer Christuskirche, die Heilig-Kreuz-Kirche. Für einige von uns – mich eingeschlossen – war dies die erste Reise in die DDR überhaupt. Die ›Nachgeborenen‹ können sich wahrscheinlich gar nicht mehr vorstellen, mit welchen Restriktionen und Schikanen man Besuchern aus der Bundesrepublik das Leben damals schwer machte. Ausgestattet mit entsprechenden Vorsichtsmaßregeln gingen wir auf die Reise, die wir jedoch keinesfalls zusammen als große Gruppe (mit kirchlichem Hintergrund!) antreten durften, sondern nur getarnt als Einzelreisende. Alle Sängerinnen und Sänger mussten sich einzeln bei der Polizei anmelden und den vorgeschriebenen Geldwechsel von D-Mark in Ost-Mark bescheinigen lassen. In Leipzig selbst wechselten sich dann bedrückende Momente angesichts des DDR-Alltags mit großartigen Eindrücken ab, wie etwa die Wirkungsstätte Johann Sebastian Bachs mit eigenen Augen sehen zu können – einschließlich der Thomaner ›live‹. Auch die herzliche Gastfreundschaft der Leipziger wird mir immer unvergessen bleiben. Zugleich erlebten wir ein Stück Zeitgeschichte! Wer hätte zu diesem Zeitpunkt auch nur im Traum daran gedacht, dass die DDR wenige Monate später aufhören sollte zu existieren und die innerdeutsche Grenze fallen würde?«
Und über das musikalische Programm der ersten Leipzig-Reise heißt es im Gemeindebrief (7–8/89):
»Im Zentrum des Wochenendprogramms standen ein Motetten-Konzert am Sonnabend und die musikalische Gestaltung des sonntäglichen Gottesdienstes; Höhepunkt war dabei die Aufführung von drei doppelchörigen Werken Alter Meister zusammen mit dem Chor von Heilig-Kreuz.«
Zum 100-jährigen Kirchweihjubiläum der Heilig-Kreuz-Kirchengemeinde reiste der Chor – dieses Mal bereits unter der Leitung Carsten Klomps – erneut nach Leipzig und machte der Partnergemeinde »ein Konzert zum Jubiläumsgeschenk« (Gemeindebrief 11–12/94). Auf dem Programm stand unter anderem die Bach-Motette ›Jesu, meine Freude‹.