Wie kam es zu diesem »grössten Werk, welches ich bisher geschrieben«? Der Anlass war die für März 1820 geplante Inthronisierung von Beethovens Freund und Schüler Erzherzog Rudolph von Habsburg zum Erzbischof von Ölmütz. Man darf Beethovens Wort von Anfang 1819 wohl ernst nehmen: »Der Tag, wo ein Hochamt von mir zu den Feyerlichkeiten Ihro Kaiserliche Hoheit soll aufgeführt werden, wird für mich der schönste meines Lebens seyn, und Gott wird mich erleuchten, daß meine schwachen Kräfte zur Verherrlichung dieses Feyerlichen Tages beytragen.« Der Hinweis auf die »schwachen Kräfte« war naheliegend. Beethoven litt unter seiner Taubheit und zog sich immer weiter in sein Innenleben zurück. Ins Tagebuch schrieb er: »Gott,Gott, mein Hort, mein Fels, du siehst mein Inneres! O höre, stets Unaussprechlicher, höre mich – deinen unglücklichen, unglücklichsten aller Sterblichen!« Er machte sich chronologisch an die Arbeit und stellte noch 1819 die ersten zwei Sätze fertig. Doch schnell wurde deutlich, dass die gesamte Messe niemals zur Inthronisierung komplett sein würde. Es dauerte gar bis 1823, bis er auch das Credo, das Sanctus/Benedictus und das abschließende Agnus Dei zu Papier gebracht hatte. Die Uraufführung der Missa solemnis fand erst 1824 in St. Petersburg statt.
Die Missa solemnis bezeichnete Beethoven mehrfach als sein größtes Werk, welches »von Herzen« kommend die Menschen berühren und bewegen sollte. Die überlieferten Quellen lassen erkennen, wie intensiv und lange sich Beethoven mit der Komposition beschäftigte, um dem Text einen adäquaten Ausdruck zu verleihen. In ihrem Umfang und musikalischen Anspruch reicht die Missa solemnis weit über das liturgisch Übliche hinaus, die Uraufführung fand nicht ohne Grund in einem Konzertsaal statt. Der Chor übernimmt in dem Werk eine zentrale Rolle und hat dabei Partien von hohem Anspruch zu bewältigen.