Mein War Requiem und mein Nagelkreuz von Coventry oder: Kann man aus Krieg Poesie und Musik machen?
In den letzten Tagen haben mich – mehr oder weniger zufällig – einige Berichte über Kriege und Kriegsfolgen beschäftigt:
- In seinem Buch ›In Stahlgewittern‹ verwandelt Ernst Jünger die von ihm selbst erlebte Dramatik von Zerstörung und Tod an der Front des ersten Weltkrieges in Literatur.
- Der Expressionist Armin T. Wegner beschreibt in seiner Erzählung ›Der Knabe Hüssein‹ das Grauen des Krieges in düsteren, aber zugleich kunstvollen und ergreifenden Worten.
- In einem alten Radiointerview schildert die Dichterin Mascha Kaleko, wie sie 1956 durch das zerstörte Berlin ging und den leeren Platz, an dem einst das Romanische Café stand, von Nord nach Süd und von Ost nach West durchschritt. Dort hatte sie vor dem Krieg oft mit Freunden gesessen, die dann vom Krieg und im KZ umgebracht wurden. Sie konnte als Jüdin vor den Nazis fliehen. Erst jetzt kam sie wieder zurück.
Gestern, am 18. November 2012, ist Brittens großes Werk von der Bremerhavener Kantorei, zwei Orchestern, Solisten und dem Jugendchor unter der Leitung von Eva Schad und GMD Stephan Tetzlaff in der Christuskirche aufgeführt worden. Meine Frau und ich haben mitgesungen. Noch tief bewegt von dieser Erfahrung schreibe ich diesen Bericht.
Es war etwa vor einem dreiviertel Jahr – vielleicht im März 2012 – als ich Eva Schad nach einer Kammerchorprobe am Mittwoch sagte, ich sei noch nicht so recht entschieden, ob ich das ›War Requiem‹ von Benjamin Britten in der Stadtkantorei mitsingen könne. Ich sprach von »Doppelbelastung« durch »zwei Chöre«, und dass das alles doch recht viel sei angesichts meiner anderen Engagements. Da straffte sich die zierliche Gestalt unserer Kantorin vor mir. Sie funkelte mich an und sagte: »Herr Klan!« Pause. »Ein Chorsänger muss einmal in seinem Leben das ›War Requiem‹ gesungen haben, glauben Sie mir!« Und etwas leiser, fast beschwörend fügte sie hinzu: »Und ein Chorleiter muss das auch einmal in seinem Leben einstudiert und aufgeführt haben.«